Der Mann, der seine Frau mit einem Hut verwechselte

Thorsten van Bokhoven

Der Mann, der seine Frau mit einem Hut verwechselte

Der britische Neurologe und Schriftsteller Oliver Sacks (1933 - 2015) hinterließ ein beeindruckendes Werk an „populärwissenschaftlichen“ Büchern, in denen er neurologisch-psychiatrische Fallgeschichten auf ebenso spannende wie menschliche Weise erzählt. Größere Bekanntheit erreichte er 1990 durch die Verfilmung seines Buches „Zeit des Erwachens“ mit Robert de Niro und Robin Williams.
Sein 1985 erschienener Bestseller „Der Mann, der seine Frau mit einem Hut verwechselte“ wurde in über 20 Sprachen übersetzt und kann als eines der faszinierendsten Bücher überhaupt zu den Themen Bewußtsein/Wahrnehmung / Realitätserschaffung gelten. Das Buch ist zweifellos auch für Fachleute hochinteressant, verzichtet aber weitestgehend auf Fachtermini und konzentriert sich darauf, die absonderlichen Realitäten, in denen Sacks Patienten leben, genauso unterhaltend wie mitfühlend darzustellen. Es ist kaum zu glauben, in welch andere Welten es einen Menschen verschlagen kann, weil ein winziger Teil seines Gehirns verletzt oder entzündet ist, oder sich seine Neurochemie ein wenig verändert hat.
Da gibt es den jungen Arzt, der plötzlich die enorme Riechfähigkeit eines Hundes hat. Nicht nur konnte er auf einmal Freunde und Patienten am Geruch erkennen, noch bevor sie um die Ecke bogen, diese Art der Wahrnehmung wandelte auch seine Persönlichkeit von intellektualisierend zu gefühlsbetont.
Oder die alte Dame, die mit über 90 Jahren plötzlich beschwingt und lebenslustig wird und anfängt, sich für junge Männer zu interessieren - und gleich selbst die korrekte Diagnose liefert: Eine 70 Jahre lang ruhende Neurosyphillis.
Auch interessant ist, was eine Frau mit tonaler Agnosie, dem Verlust sämtlicher gefühlsmäßiger Wahrnehmung (es bleibt also reine Logik übrig) über eine Rede des Präsidenten zu sagen hatte: „Entweder ist er hirngeschädigt, oder er hat etwas zu verbergen“.
Ein wirklich horizonterweiterndes Buch, das sich wie ein spannender Roman liest und auch Leute zum Staunen bringt, die sich mit Bewußtseinsphänomenen auskennen.

Der Mann, der seine Frau mit einem Hut verwechselte
Oliver Sacks
319 Seiten, Taschenbuch
Rowohlt Taschenbuch Verlag
ISBN  978-3-499-18780-3